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Tarifeinigung 2025: Mehr Gehalt – Gestaltungsspielräume für öffentliche Arbeitgeber

Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst haben sich im April 2025 auf einen neuen Tarifabschluss geeinigt. Für die rund 2,6 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen bedeutet dies spürbare Gehaltssteigerungen. Doch was heißt das für öffentliche Arbeitgeber, die den TVöD anwenden?

Nachfolgend geben wir einen zusammenfassenden Überblick der Entscheidungen zur Tarifeinigung 2025 und zeigen auf, welche organisatorischen Maßnahmen Arbeitgeber ergreifen können, um die steigenden Personalkosten durch effizientere Abläufe abzufedern. Außerdem beleuchten wir, welche rechtlichen Spielräume hinsichtlich der Aufgabenanpassung (Stichwort Direktionsrecht und Organisationshoheit) bestehen und warum der Anteil hochwertiger Aufgaben in einem Arbeitsvorgang für die Zuordnung einer Tätigkeit zur Entgeltgruppe (Stellenbewertung) so wichtig ist. Ein Praxisbeispiel einer Personalsachbearbeiterin (EG 9a) verdeutlicht zum Abschluss, wie Prozessgestaltung zu höherer Leistungsfähigkeit und Entlastung von Führungskräften führen kann.

Eckpunkte der Tarifeinigung im TVöD (April 2025)

Die Tarifeinigung bringt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zahlreiche Verbesserungen. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Entgelterhöhung in zwei Stufen: +3,0 % mehr Gehalt (mindestens 110 € monatlich) ab 1. April 2025 und weitere +2,8 % ab 1. Mai 2026.
  • Höheres Weihnachtsgeld: Erhöhung der Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) auf einheitlich 85 % der Monatsvergütung ab 2026.
  • Mehr Freizeit wählbar: Möglichkeit, einen Teil des Weihnachtsgeldes in bis zu drei freien Tagen umzuwandeln.
  • Flexible Arbeitszeitoption: Auf freiwilliger Basis können Beschäftigte befristet die Wochenarbeitszeit auf bis zu 42 Stunden erhöhen (mit entsprechendem Zuschlag).
  • Zusatz-Urlaubstag: Einführung eines zusätzlichen Urlaubstags pro Jahr ab 2027.
  • Höhere Schichtzulagen: Deutliche Erhöhung der Zulagen für (Wechsel-)Schichtarbeit ab 1. Juli 2025.

(Daneben wurden u.a. die Ausbildungsentgelte erhöht und die Übernahme von Azubis geregelt. Diese Punkte lassen wir hier aus, da sie für die meisten öffentlichen Arbeitgeber, die wir beraten, weniger unmittelbar relevant sind.)

Kurz gesagt: Ab sofort steigen die Personalkosten im öffentlichen Dienst erheblich. Für die Beschäftigten ist das eine gute Nachricht – für die Kämmerer und Personalverantwortlichen bedeutet es jedoch, dass akuter Handlungsbedarf u. a. hinsichtlich der Anpassung von (Personal-)Budgets sowie Optimierung von Abläufen besteht, um diese Mehrkosten im Arbeitsalltag aufzufangen.

Ablauforganisation anpassen: Effizienz als Antwort auf Entgelterhöhungen

Statt die höheren Personalkosten nur hinzunehmen, können (und sollten) öffentliche Arbeitgeber proaktiv Maßnahmen der Organisationsentwicklung ergreifen. Insbesondere in der Ablauforganisation – also der Gestaltung der Arbeitsprozesse und Abläufe – schlummern oft Effizienzpotenziale, ohne die Qualität der Arbeit negativ zu beeinträchtigen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, diese Potenziale zu nutzen.

Was heißt das konkret? Zunächst sollten bestehende Prozesse auf den Prüfstand gestellt werden. Wo gibt es Doppelarbeiten, unnötige Liegezeiten (Stichwort: Flaschenhälse) oder umständliche Abläufe? Solche Prozessbremsen kann man durch Digitalisierung, Standardisierung und eindeutige Schnittstellenregelung der Zuständigkeiten abbauen. Ziel ist, dass die gleichen Aufgaben mit weniger Zeitaufwand erledigt werden können oder auch Kapazitäten für bisher nicht bearbeitete oder neue Aufgaben zu schaffen.

Ein weiterer Hebel ist die Aufgabenverteilung – Verdichtung höherwertiger Aufgaben auf einzelne Stellen: Sind die richtigen Aufgaben bei den richtigen Personen angesiedelt? Gerade vor dem Hintergrund der gestiegenen Entgelte lohnt es sich zu prüfen, ob gut qualifizierte (und nun besser bezahlte) Mitarbeitende eventuell (qualitativ) unterfordert sind – mit rein routinemäßigen Tätigkeiten. Durch geschickte Umverteilung kann man erreichen, dass jeder entsprechend seiner Kompetenz und Eingruppierung eingesetzt wird. So werden die bereits vorhandenen Ressourcen optimaler ausgenutzt. Nach aktueller Rechtsprechung kann bereits ein Minimum (ggf. auch ab dem ersten Prozent) höherwertiger Leistungen eine Höhergruppierung um mehrere Entgeltgruppen begründen.

Zusammengefasst: Effizientere Abläufe bedeuten, dass mehr Output pro Entgelt-Euro erzielt wird. Das hilft, die Mehrkosten aus der Tariferhöhung auszugleichen. Aber darf der Arbeitgeber die Aufgaben seiner Beschäftigten einfach ändern? Hier kommt das Thema Weisungsrecht ins Spiel.

Direktionsrecht nutzen: Aufgaben anpassen im Rahmen der Rechtsgrundlagen

Öffentliche Arbeitgeber haben – wie alle Arbeitgeber – bestimmte steuernde Eingriffsrechte, um die Arbeit zu organisieren. Wichtig sind hier vor allem das Direktionsrecht nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) und die sogenannte Organisationshoheit des Arbeitgebers.

Direktionsrecht (§ 106 GewO): Dieses gibt dem Arbeitgeber das Recht, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung durch Weisungen näher zu bestimmen, solange keine anderslautenden Vorgaben und/oder Vereinbarungen entgegenstehen. Vereinfacht gesagt: Wenn z. B. ein Gesetz nicht explizit festlegt, welche Aufgaben mit welchen Befugnissen z. B. durch den Gemeindevollzugsdienst (GVD) im Detail zu erfüllen sind, kann der Arbeitgeber einseitig entscheiden, was genau der Mitarbeiter tut, wann er es tut und wo. Natürlich muss das nach billigem Ermessen geschehen, also fair abgewogen sein – völlig fachfremde oder unzumutbare Aufgaben dürften nicht angeordnet werden. Aber innerhalb des beruflichen Tätigkeitsprofils der Mitarbeiter gibt das Direktionsrecht einen erheblichen Spielraum, um Aufgaben neu zuzuschneiden oder Schwerpunkte zu verlagern.

Organisationshoheit des öffentlichen Arbeitgebers: Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber (wie Kommunen) haben das Recht, die interne Organisation selbst zu gestalten und festzulegen. Das umfasst auch die Entscheidung, welche Aufgaben von welcher Abteilung oder welchem Team übernommen werden und wie zu Grunde liegenden Arbeitsprozesse gestaltet sind. Die Organisationshoheit bedeutet, dass der Arbeitgeber im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Vorgaben seine Verwaltung so strukturieren kann, wie es zur Erfüllung der Aufgaben zweckmäßig ist. Dazu zählt etwa, Aufgaben neu zu bündeln oder umzuschichten, Stellenprofile anzupassen (sofern Tarif und Personalvertretung das zulassen) und durch Führungskräfte-Entscheidungen den Arbeitsablauf zu steuern.

Mit anderen Worten: Sie als Arbeitgeber dürfen durchaus kreativ werden, um nach dem Gehaltsplus auch ein entsprechendes Leistungsplus herauszuholen. Durch das Direktionsrecht können Beschäftigten neue oder erweiterte Aufgaben zugewiesen werden – selbstverständlich nur Aufgaben, die ihrer Entgeltgruppe und Qualifikation entsprechen (Stichwort Gleichwertigkeit der Tätigkeit). Die Organisationshoheit gibt den Rahmen, um auch Prozesse zur Aufgabenerledigung neu zu organisieren. Wichtig ist dabei die Einbindung der Personalvertretung (Personalrat/Betriebsrat) entsprechend der geltenden landesrechtlichen Bestimmungen.

Hochwertige Leistungen und Eingruppierung: Warum 10 % Anteil schon zählen

Ein Punkt sollte bei allen Umorganisationen nicht übersehen werden: die Eingruppierung der Beschäftigten. Denn Tarifrecht und aktuelle Rechtsprechung legen fest, wann eine höhere Entgeltgruppe gerechtfertigt ist – und dabei spielt der zeitliche Anteil hochwertiger Aufgaben eine entscheidende Rolle.

Nach dem TVöD sind den Entgeltgruppen bestimmte Anforderungsmerkmale zugeordnet. Zum Beispiel spricht man von selbstständigen Leistungen, wenn eine Tätigkeit eigenständige Entscheidungen oder Beurteilungen erfordert (also anspruchsvoller ist als reine Routinearbeiten). Für die Eingruppierung gilt: Erfüllt die gesamte Tätigkeit die Merkmale einer Entgeltgruppe, so ist der*e Beschäftigte in dieser Gruppe eingruppiert. Die Krux liegt im Detail: Wieviel anspruchsvolle Tätigkeit muss in einer Aufgabe stecken, damit man von den entsprechenden Merkmalen spricht?

Hier hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst Klarheit geschaffen. In einem Urteil von 2023 stellte das BAG fest, dass eine hochwertigere Aufgabe nicht zwingend über 50 % der Arbeitszeit anfallen muss, um ein höheres Tätigkeitsmerkmal zu erfüllen. Bereits ein Anteil von rund 10 % anspruchsvoller Tätigkeiten kann ein “rechtlich erhebliches Ausmaß” darstellen. Das heißt, wenn ein/e Mitarbeiter*in innerhalb eines einheitlichen Arbeitsvorgangs wenigstens etwa ein Zehntel der Zeit anspruchsvolle Aufgaben übernimmt, kann dies schon genügen, um die höhere Entgeltgruppe zu begründen (BAG, Urt. v. 26.04.2023 – Az. 4 AZR 275/20).

Für die Praxis bedeutet das zweierlei: Einerseits können schon kleine Anteile von hochwertiger Arbeit eine Höhergruppierung auslösen – Arbeitgeber sollten also vorsichtig sein, nicht unbedacht “ein bisschen” anspruchsvollere Aufgaben zu verteilen, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Andererseits aber, und das ist die positive Lesart, kann man durch geschickte Aufgabenbündelung dafür sorgen, dass Beschäftigte, die man ohnehin in einer bestimmten Entgeltgruppe bezahlen muss, auch tatsächlich genügend niveauvolle Aufgaben bekommen, um diese Eingruppierung zu rechtfertigen. Im nächsten Abschnitt sehen wir, wie das im konkreten Beispiel aussehen kann.

Praxisbeispiel: Personalsachbearbeiterin EG 9a – Potenzial durch Prozessgestaltung

Ausgangslage: Frau Mustermann (1,000 VzÄ) ist Personalsachbearbeiterin in Entgeltgruppe 9a einer Stadtverwaltung. Ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, Personalvorgänge wie Einstellungen, Vertragsänderungen, Gehaltsmeldungen etc. zu bearbeiten. Formal gesehen handelt es sich um einen einzigen, ganzheitlichen Arbeitsvorgang, der alle Schritte von der Datenerfassung bis zur Vorbereitung von Entscheidungen umfasst (100 % ihres Arbeitsanteils). Allerdings: Nur etwa 5 % ihrer Tätigkeit machen tatsächlich selbstständige Leistungen aus – z. B. wenn sie in Einzelfällen eigenständig Entscheidungsvorschläge unter Abwägung von unterschiedlichen Interessen z. B. im Rahmen einer Härtefallprüfung im Kündigungsfall formuliert. Die restlichen 95 % sind Routinearbeiten nach klaren Vorgaben (Daten eingeben, Vollständigkeit von Unterlagen prüfen, Standardbriefe erstellen, Listen führen usw.).

Problem: Frau Mustermann wird nach EG 9a vergütet, was grundsätzlich eine Tätigkeit mit Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum voraussetzt. Ihr Anteil solcher anspruchsvolleren Aufgaben ist mit 5 % aber sehr gering – die Vergütung ist jedoch tarifkonform. Praktisch besteht hier also ungenutztes Potenzial i. H. v. 95 % (einer VzÄ): Frau Mustermann könnte mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten, ohne dass es ihrer Eingruppierung widerspricht – im Gegenteil, es würde sie eher im Rahmen ihrer Entgeltgruppe qualitativ auslasten.

Maßnahme: Die Personalabteilung beschließt, den Prozessablauf aktiv umzugestalten. Konkret bedeutet das: Einige Aufgaben, die bisher nur die Personalleitung oder erfahrene Personalreferenten erledigt haben, werden nun an Frau Mustermann delegiert. Bei Einstellungen bereitet sie nicht mehr nur die Arbeitsverträge vor, sondern trifft auch eine eigene Einschätzung, ob die eingestellten Personen alle Voraussetzungen erfüllen – diese Einschätzung geht dann zur Abzeichnung an die Leitung, muss aber selten geändert werden. Zudem wird ihr Unterschriftsbefugnis für bestimmte Standardvorgänge erteilt (z. B. das Unterzeichnen von Bestätigungen oder Zwischenzeugnissen), was meist zumindest ein Indiz für selbstständige Leistungen im Tarifsinn ist

Durch diese Aufgabenerweiterung steigt der Anteil von Frau Mustermanns Ermessensentscheidungen deutlich – statt 5 % machen solche selbstständigen Leistungen nun vielleicht 20–30 % ihrer Arbeit aus. Der Arbeitsvorgang bleibt derselbe, aber er wird anspruchsvoller. Frau Mustermann kann ihre Fähigkeiten besser einbringen und erlebt ihre Arbeit als abwechslungsreicher und verantwortungsvoller. Und wichtig aus Arbeitgebersicht: Die nun höherwertigen Aufgabenanteile begründen die tarifkonforme Eingruppierung in EG 9a voll. Sollte sie dauerhaft sogar mehr als ~50 % anspruchsvolle Aufgaben übernehmen, käme mittelfristig ggf. sogar eine höhere Entgeltgruppe in Betracht – aber in unserem Beispiel bleiben wir bewusst im Rahmen von EG 9a. Wichtig an dieser Stelle ist die Betonung, dass da wo höherwertige Aufgaben hinzukommen, woanders auch höherwertige Aufgaben entfallen – und die Eingruppierung beeinflussen können.

Ergebnis: Beide Seiten profitieren. Frau Mustermann ist motivierter und kann sich fachlich entfalten. Die Führungskräfte haben mehr Zeit für ihre eigentlichen Leitungsaufgaben, weil Routineentscheidungen nun von der Sachbearbeiterin getroffen werden. Insgesamt wird die Arbeitszeit produktiver genutzt – teure Personalressourcen (die durch die Tariferhöhung noch teurer geworden sind) werden nicht mit kleinteiligen Aufgaben verschwendet, sondern entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt.

Fazit

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst April 2025 bringt erhebliche Gehaltszuwächse für die Beschäftigten und verlangt den öffentlichen Arbeitgebern einiges ab. Doch mit einer vorausschauenden Organisationsentwicklung lässt sich die Herausforderung meistern. Indem Abläufe optimiert, Aufgaben klug verteilt und der Spielraum des Direktionsrechts genutzt werden, kann der öffentliche Sektor die gestiegenen Kosten in Produktivität ummünzen. Wichtig ist dabei, stets auch die Tarifautomatik der Eingruppierung im Blick zu haben: Beschäftigte sollten weder unterfordert werden noch durch kleine Anteilsaufgaben ungewollt höhergruppiert werden. Das Ziel sind stimmige Stellenprofile, in denen hochwertige Leistungen in rechtserheblichem Ausmaß anfallen – so wie es das Tarifrecht vorsieht.

In diesem Sinne bietet die Tarifeinigung 2025 nicht nur Anlass, mehr Geld auszuzahlen, sondern auch die Chance, interne Prozesse zu hinterfragen und zu verbessern. Öffentliche Arbeitgeber, die dies beherzigen, werden langfristig profitieren – durch effizientere Verwaltungen, motivierte Mitarbeitende und letztlich auch dadurch, dass sie zeigen:

Faires Entgelt und wirtschaftliches Handeln schließen einander nicht aus, sondern können Hand in Hand gehen.

Ihre Ansprechpartner:
Daniel Weser